Digitale Diplomatie: Europäisches Netzwerk startet

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Weil inzwischen viele europäische Staaten Diplomaten damit beauftragten, die digitale Transformation auch außenpolitisch zu gestalten, soll auf europäischer Ebene jetzt ein Netzwerk eingesetzt werden.

Seit 2018 hat Deutschland einen Digitalbotschafter im Auswärtigen Amt. Er soll Deutschlands Interessen in den Digital-Hubs der Welt vertreten, die digitale Transformation im Auswärtigen Amt selbst vorantreiben und Deutschland in wichtigen internationalen Foren repräsentieren (Tagesspiegel Background berichtete). Mit dem wachsenden Einfluss von Tech-Konzernen und ihren Produkten auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müssen die eigenen Werte und Interessen schließlich auch im Rahmen der Außenpolitik vertreten werden.

Deutschland war nicht das erste Land, das mit Hinrich Thölken einen solchen Diplomaten fürs Digitale benannt hat, der dänische Tech-Botschafter Casper Klynge, der im März als Lobbyist zu Microsoft wechselt, war in dieser Hinsicht der Vorreiter (Tagesspiegel Background berichtete). Viele Länder haben jedoch in den vergangenen Jahren nachgezogen und selbst einen solchen Posten in den Rängen ihrer Diplomaten geschaffen.

Digital Diplomacy Network als neues Forum

Damit die EU ihre außenpolitischen Interessen in der digitalen Welt besser koordinieren kann, soll nach Informationen von Tagesspiegel Background nun ein Netzwerk für die Digitalbotschafter der EU-Staaten entstehen. Dazu hat der bei der EU-Kommission angesiedelte Europäische Auswärtige Dienst (EEAS) eine Aufforderung an die Mitgliedsstaaten versandt, damit sie Digitalbotschafter oder -Bevollmächtigte für ein sogenanntes „Digital Diplomacy Network“ benennen. Auf Nachfrage bestätigte eine Sprecherin der Kommission die Einrichtung des Netzwerks. Noch sei aber nicht klar, wie viele Staaten eigentlich eine Digitalbotschafterin oder einen Digitalbotschafter haben, die oder den sie ins Rennen dafür schicken.

Vernetzt werden sollen die Diplomaten nicht nur untereinander, sondern auch mit den Experten der EU-Digitalbehörde DG Connect. Experten aus den zuständigen nationalen Ministerien oder anderen Generaldirektionen der Kommission können hinzugezogen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft als Gastredner eingeladen werden.

Netzwerk trifft sich zweimal im Jahr

Ziel des noch nicht offiziell gegründeten Netzwerk soll neben der Vernetzung auch der Austausch über Best Practices, neue Werkzeuge und Maßnahmen für die Außenpolitik sein. In dem Einsetzungsschreiben für das neue Netzwerk, das Tagesspiegel Background vorliegt, sind mögliche Themen gelistet, die im Rahmen der halbjährlich geplanten Netzwerktreffen diskutiert werden könnten, darunter:

  • Geopolitische und geoökonomische Aspekte der digitalen Transformation
  • Förderung von Vertrauen und Sicherheit im Cyberraum
  • Einsatz von Daten- und KI-Politik in der Diplomatie
  • Die Entwicklung von neuen Werkzeugen der Diplomatie im digitalen Zeitalter
  • Diplomatische Kooperation zum Zwecke der Unterstützung des Christchurch Calls
  • Stärkung Europas als Digitalhub
  • Kommunikation von europäischer Politik und Strategien zur digitalen Transformation
  • Rolle der globalen Tech-Konzerne in der internationalen Politik
  • Schaffung eines digitalen Ökosystems für EU-Außenministerien
  • Diskussion von gemeinsamen diplomatischen Missionen in Drittstaaten (Initiativen, Kampagnen, Veranstaltungen), um europäische Positionen zu kommunizieren
  • Förderung eines offenen, freien und sicheren Internets, von Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Netzneutralität, Schutz des geistigen Eigentums und kultureller Diversität

Themen der Cybersicherheitspolitik sollen weiterhin in einem bestehenden Netzwerk von „Cyberbotschaftern“ und Koordinatoren der Außenministerien behandelt werden, erklärt die Kommissionssprecherin. Für Deutschland ist Wolfram von Heynitz, Leiter Koordinierungsstab für Cyberaußenpolitik im Auswärtigen Amt dafür zuständig.

Start während der deutschen Ratspräsidentschaft

Die Sitzungen des neuen Digitalbotschafternetzwerks, die jeweils auf anderthalb Tage angelegt sein sollen, werden vom jeweiligen Land ausgerichtet, das aktuell die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Auf Anfrage sagte ein Sprecher der kroatischen Ratspräsidentschaft zu Tagesspiegel Background, dass am Rande der im Mai in Zagreb stattfindenden sogenannten Digital Assembly ein informelles Treffen der Digitalbotschafter anvisiert wird. Kroatien hatte mit Ivan Mašina selbst erst vor kurzem den Posten eines Digitalbotschafters geschaffen. Weitere erste Netzwerktreffen unter den Digitalbotschaftern gab es nach Informationen von Tagesspiegel Background bereits in Berlin und Paris.

Der offizielle Launch des Netzwerks kann für die zweite Jahreshälfte erwartet werden und fällt damit in die Zeit der der deutschen Ratspräsidentschaft. Nach Informationen von Tagesspiegel Background hat das Auswärtige Amt die Idee für das Netzwerk forciert.

von Lina Rusch

https://background.tagesspiegel.de/digitalisierung/digitale-diplomatie-europaeisches-netzwerk-startet

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